Indikative Gruppe: Meditation und Begegnung

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Geschichte, Struktur und Erfahrungshorizont der IG

Die Indikative Gruppe Meditation und Begegnung wird seit einiger Zeit von mir in dieser Form angeboten und betont die Schwerpunkte der Berührung und der Nähe-Distanz-Regelung, der Achtsamkeitsschulung, der Entwicklung der Spürfähigkeit und die Herausbildung des Zeugenbewusstseins. Die IG wird seit einem Jahr als offene Gruppe geführt, findet Dienstag und Donnerstag von 15.45-17.45, also 120 minütig statt und beinhaltet in der Regel die Teilnahme an acht Nachmittagen.
Am Ende der Teilnahme an dieser IG wird neben dem klinikweiten IG Fragebogen zur Auswertung eine verschriftlichte Rückmeldung zu den Themen wichtige Erfahrungen und besondere Lernergebnisse erbeten. Ich möchte in dieser Vorstellung Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch diese Rückmeldungen zu Wort kommen lassen. Dabei sind die Zitate kursiv gedruckt.
Folgende Rückmeldungen zeigen den Horizont der Erfahrungsmöglichkeit auf:
„Für mich war die Erfahrung besonders wichtig, dass ich durch die einzelnen Übungen ein besseres Gefühl für mich bekommen habe. So habe ich mich selber besser kennen gelernt und dadurch einen Weg zur richtigen Entspannung gefunden.“
„Der Kurs verhalf mir, meinen Körper besser zu spüren und wahrzunehmen. Dadurch wurde ich ruhiger und konnte einen Zugang zu meiner inneren Mitte finden.“
„Das besondere Lernergebnis für mich: Dass ich ohne Angst andere Menschen berühren kann und ihnen auch in die Augen schauen kann!“
„Die wichtige Erfahrung für mich: Auch ohne ersichtliche Leistung, das Gefühl zu haben, angenommen zu sein.“
„Aufgrund der vertieften achtsamen Selbstwahrnehmung – angeregt durch die IG – er hellt sich für mich der Sinngehalt der göttlichen Berufung des Menschen: Ja zu mir, Ja zu meinem Leben, wie es geworden ist und Ja zu allem Lebendigen.“
Die beiden Pole der Indikativen Gruppe: Meditation und Begegnung
Meditation ist ein Containerbegriff, in welchen ganz Unterschiedliches eingestellt wird. In unserem Kontext stehen die Aspekte des zur Ruhe Findens durch die Stärkung des Kontaktes zu mir selbst, das Entdecken und die Intensivieren des Erlebens eigener Mitte und daraus folgend das Erleben von Verbundenheit im Vordergrund.
Der Pol der Begegnung hat ebenfalls drei Dimensionen: Zum einen geht es um die Begegnung mit mir selbst. Die IG ist übungs- und erfahrungsorientiert. Es geht also nicht um Reden über etwas, sondern um das konkrete Ausprobieren, die konkrete Übung und darum, wie ich mich in dieser Übung erlebe. Wie kann ich dem einen Ausdruck geben und damit kommunikationsfähig über inneres Erleben werden. Deshalb besteht eine Einladung und Spielregel der IG darin, sehr achtsam auf feine innere Regungen, auf Bewegungen meiner Seele zu achten (wann finde ich etwas blöd, nervt der IG Leiter, fühle ich mich zufrieden, werde ich ungeduldig, kommt Freude auf, bekomme ich Angst oder werde traurig, fühle ich mich gestärkt, ermutigt oder leer…). In den Übungen selbst wird immer wieder auf diese Wahrnehmungsebene hingewiesen, um dadurch die Instanz des „Zeugenbewusstseins“, der inneren Beobachterin, zu
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stärken und eine solche Form des Gewahrseins zu entwickeln. Da der Kontakt mit mir selbst Voraussetzung für echte Begegnung ist, dient der Eingangsteil der IG insbesondere der Förderung dieses Gewahrseins.
Eine zweite Dimension der Begegnung besteht in einer konkreten Duoübung, also einer Übung mit einem Partner oder einer Partnerin. Wie finde ich meinen Partner dieses Nachmittages und wie erlebe ich mich im Kontakt mit ihm? In dieser Phase der IG ergeben sich vielfältige Erfahrungsfelder zu unterschiedlichen Themen von Nähe und Distanz, Kontrolle und Vertrauen, Anpassung und Eigenständigkeit.
Eine dritte Dimension der Begegnung geht über diese konkreten Formen des Kontaktes hinaus und wird stärker als ein Erleben von Verbundenheit, Heimat, Angenommensein oder (göttlichem) Sinn beschrieben. Dies wird in der IG durch die Gesamtatmosphäre, energetische Übungen und insbesondere die Gebärde der Verbundenheit – das Schlussritual jeder IG Stunde – unterstützt.
Die einzelnen Elemente: Der Ablauf eines Nachmittages
Die einzelne IG ist durch fünf Schritte strukturiert. Diese Grundstruktur kehrt jeweils wieder. Dabei sind die einzelnen meditativen Übungen konstant wiederkehrend, um ein vertieftes Einüben bis zur selbstständigen Praxis anzuregen. Die Duoübung hingegen wechselt mit jedem Nachmittag.
1. Schritt: Ankommen und Zusammenfinden (40 Minuten)
Meditativer Praxis entspricht das Ernstnehmen von Übergängen, von Anfangen und Aufhören und die bewusste Wahrnehmung von Rhythmen. Deshalb ist der Eingangsphase ein relativ großes Zeitkontingent zugeteilt. Dahinter steht die Erfahrung, dass ein bewusster Beginn, ein wirkliches Ankommen in der jeweils neuen Situation, Zeit braucht, dafür aber auch spätere Übung und deren Erfahrungsmöglichkeiten intensiviert.
So beginnt dieser Abschnitt mit einer der Grundübungen der IG, den „Vier-Toren-zu-mir-selbst“. In dieser Übung wird die Aufmerksamkeit nacheinander auf vier Dimensionen des Daseins gerichtet, um dadurch den Faden des inneren Kontaktes zu mir selbst enger zu knüpfen, also mir darüber bewusst zu werden, in welcher Verfassung ich jetzt am Beginn dieser Gruppe anwesend (oder auch gerade nicht anwesend) bin. Die vier Dimensionen umfassen den Körper, bzw. Leib, die Seele, den Geist und das Herz.
Die Seele ist dabei als der Bereich verstanden, welcher mit meinem inneren Erleben, Gestimmtsein und meinen Gefühlen verbunden ist.
Die Dimension des Geistes umfasst sowohl die konkrete gedankliche Ebene (Was beschäftigt mich noch, was ist gegenwärtig mein Thema?), die Identifikation und Unterscheidung der Wirkung von Gedanken (Welche führen mich in ein Hamsterrad und machen es eng in mir, welche führen weiter und in die Weite?), als auch die Wahrnehmung des Zustandes meines Geistes (Ist mein Gedankenfluss im Moment eher ruhig oder unruhig? Fällt es mir leicht oder schwer die Aufmerksamkeit auf mir zu halten?). Im fortgeschrittenen Stadium gelingt es dann einigen Teilnehmerinnen auch in einem weiteren Schritt den Ort der inneren Zeugin zu entdecken (Schlüsselfrage hierzu ist: Wie machen Sie das, Ihren Gedankenstrom zu beobachten? Von wo aus schauen Sie auf ihn?). Da der „Ort“ dieser Bewusstseinsdimension selbst leer und still ist, kommt
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der Verankerung in diesem eine große Bedeutung zu. In ihm verankert kann ich zum Beobachter, zum Zeugen inneren und äußeren Geschehens werden, ohne darauf reagieren zu müssen, was einen immensen Zuwachs an Freiheit, Selbstbestimmung und dem Erleben von Selbstwirksamkeit bedeutet. Allerdings muss auch gesagt werden, dass Zeit und Struktur der IG nicht ausreichen, um systematisch Verankerung im Zeugenbewusstsein aufzubauen.
Die vierte Dimension ist die Dimension des Herzens, dieses Teils der Seele, welcher einerseits die Tiefe meiner Individualität repräsentiert, andererseits mich mit dem Überindividuellen verbindet. In der christlichen Tradition ist das Herz der Ort meines tiefsten Wesens, dort wo ich mir selbst am nächsten bin, Ort meiner unzerstörbaren Würde und göttlichen Berufung. Hier liegt die Quelle von Berufung, Sinn und Erfüllung. Erlebt wird dies zumeist in der Ambivalenz von Verbundensein oder mich isoliert, abgetrennt, fremd fühlend.
Die Dimensionen (außer dem Geist) werden neben dem reinen Wahrnehmen auch auf ihren Botschaftscharakter hin befragt (Welche Botschaft, welchen Hinweis, welche Nachricht hat mein Körper, meine Seele, mein Herz für mich?).
Diese Übung endet mit einem Verweilen in der Atembewegung um mich als Ganzes wahrzunehmen.
Die Vier-Tor-Übung mündet in das Stimmungsbarometer, einem körperorientierten Verfahren in welchem die Stimmung der Gruppe und der einzelnen sichtbar wird. Mein inneres Erleben findet darin einen äußeren, leibhaftigen Ausdruck. Ebenso wird damit von intensiver Innenorientierung auf Orientierung an dem, woran andere Gruppenmitglieder Anteil geben umgeschaltet, ohne den Kontakt zu sich selbst zu verlieren. Dies ergibt einen guten Überblick über die Situation der Gruppe als Ganzes und der Einzelnen.
Dieser erste Abschnitt wird von einer Eingansrunde abgeschlossen. Hier ist Raum, an dem Anteil zu geben, was ich mitbringe, Rückmeldungen zur letzten IG oder dem Erleben seitdem zu geben, Wünsche für den Nachmittag anzumelden. Neue Teilnehmende stellen sich an dieser Stelle in einem Erstinterview vor.
„Besonderes Lernergebnis war für mich, die vier Tore zu mir selbst zu durchschreiten und so inneren Frieden zu finden.“
„Mich selbst zu fragen, wie es mir geht (Vier Tore) und die Wahrnehmung, bzw. das Gefühl zu hinterfragen hilft mir, mich besser anzunehmen und zu verstehen.“
„Die regelmäßige Übung der“ Vier-Tore“ kann mir im Alltag dabei helfen, achtsamer und sensibler für eigene Bedürfnisse und Empfindungen zu werden und diese zu akzeptieren; dies könnte eine notwendige Voraussetzung für meine Grundzufriedenheit sein, bzw. für eigen Handlungen und Aktivitäten.“
2. Schritt: Duofindung und Duoübung (25-30 Min.)
„Die Duofindung
Dieser Teil beginnt mit einem Gehen im Raum und nach einiger Zeit der Einladung, die Aufmerksamkeit auf das innere Erleben zu richten, welches durch den Hinweis ausgelöst wird, dass es im Folgenden um die Bildung von Duos für eine Übung geht.
Diese Phase stellt für viele Teilnehmende eine große Herausforderung dar. Gleichzeitig ist sie im Blick auf Selbsterforschung von großem Potential. Einerseits lehrt sie, wie ich in der Regel in solchen Situationen reagiere, andererseits lässt sie in dem Zuge, in dem ich mich auf sie einlasse, Freiheit spüren. Ich bin frei, kann jetzt entscheiden, wie ich
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reagieren möchte, ob ich aktiv werden möchte, oder passiv warten, bis sich jemand mir zuwendet und wodurch meine Handlungsimpulse inspiriert und motiviert sind. Hier wird meine Sehnsucht und meine Angst im Blick auf Nähe und Distanz ebenso spürbar wie mein Selbstbild und Selbstwert erlebbar werden.
Als besonderes Lernergebnis, welches ich nicht vergessen möchte nehme ich mit, wie ich innerhalb einer Gruppe Kontakt aufnehme oder suche und überhaupt ein Gespür für mein eigenes Verhalten in einer solchen Situation.
Die Duoübungen
Nähe als passiver Part einer Duoübung kann für mich beängstigend sein, das Gefühl, nicht flüchten zu können, war sehr stark. Und doch habe ich erlebt, dass Angst vor Nähe vielfach unbegründet ist und wenn ich die Situation bewusst wahrnehme und entscheide, kann Nähe auch positiv sein.“
„Ich hatte Angst vor körperlicher Berührung, konnte diese Angst aber zuerst aushalten und dann abbauen. Schließlich konnte ich die Berührung sogar genießen!“
„Wirkliche Begegnung mit einzelnen Menschen fällt mir schwer, weil ich nicht spüre, wie weit ich mich annähern kann, wie nah es für mich und den anderen stimmig ist. Es ist nicht Angst vor Nähe, die blockiert, sondern es ist das nicht gefühlte Gefühl. In der meditativen, wohltuenden und heilsamen Stille der IG erlebte ich gefühlte Annäherung an mein Inneres und dadurch auch zum anderen Menschen.“
Während die anderen Übungen konstant bleiben, wechselt die Duoübung wechselt bei jedem Treffen. Im Folgenden möchte ich diese Übungen vorstellen, welche sich in drei Gruppen einordnen lassen. Dies sind energetische Spürübungen, Übungen zur Entspannung und eine Gruppe von Übungen, welche einen Schwerpunkt auf dem unterschiedlichen Erleben von aktiver und passiver Rolle legen.
In einer Phase von ca. drei bis vier Trefen liegt der Schwerpunkt auf energetischen Spürübungen, die insbesondere auch mit dem Thema Nähe und Distanz verbunden sind. Ab welcher Nähe spüre ich die Hand eines anderen, wenn sie sich meiner Hand nähert? Was geschieht, wenn ein Mensch sich mir nähert, auf mich zu kommt? Ab wann spüre ich ihn, in welchem Bereich ist mir dies angenehm, wo überschreitet er eine Grenze, was geht mir zu weit und wird mir zu nahe? Welche Kraft brauche ich, eine Grenze zu setzen? Was gibt und was raubt mir diese Kraft? Im zweiten Teil dieser Phase geht es dann um die Wirkung von körperlicher Berührung, zum Beispiel einer Hand auf meinem Rücken oder später zweier Hände und dem, was zwischen diesen Berührungen geschieht. Die Wirkung einer Zentrierung in der Leibesmitte gehört ebenfalls in diesem Teil der IG.
„Ich habe einem Mitpatienten nicht abschlagen können, die Duoübung mit ihm durchzuführen, obwohl mir das ausgesprochen unangenehm war, mir war - dies trotz des ausdrücklichen Hinweises von Herrn Haack auch „Nein“ sagen zu dürfen noch – nicht möglich. Dies will ich lernen.“
„Für mich war die Frage wichtig: Wo sind meine Grenzen? Und dann die Erlaubnis:
Ich darf sie spüren und darauf Rücksicht nehmen. Kontakt mit anderen ist deshalb gar nicht so bedrohlich, wie ich immer befürchtete. Deshalb: Probieren statt weglaufen!“
„Ich habe mehr über meine Gefühle erfahren und konnte durch die Duoübungen feststellen, wie viel Nähe und Vertrauen ich zulassen kann….ich lernte im Kontakt mit anderen in mein Inneres zu hören und im Kontakt zu entspannen. Die Möglichkeit Nähe zuzulassen und dennoch „Stop“ sagen zu können war für mich ein besonderes Lernergebnis.“
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„ Die Reaktion anderer Menschen auf mich hat nicht nur etwas mit mir zu tun, sondern auch mit ihrer gegenwärtigen Wahrnehmungsmöglichkeit. Dies zu erfahren war für mich wichtig.“
Die zweite Phase von drei Treffen– wobei es sich in der Aufzählung der Phasen nicht um eine Abfolge, sondern um thematische Gruppen handelt – steht die Entspannung, das Wohlfühlen, sich etwas Gutes tun (lassen) im Vordergrund. Dazu gehören Rückenmassage, Handauflegen und Erdungsübungen.
„Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können ohne Alkohol solche Entspannung zu erleben.“
„Als ich die Hände auf meinem Rücken spürte durchströmte mich ein warmer Energiestrom. Diesen spürte ich noch als die Hände längst schon wieder weggenommen waren. Das hat mich überrascht und mich zuversichtlich gemacht.“
Die dritte Phase mit drei Treffen der Indikativen Gruppe hat stärker den Unterschied von aktiver und passiver Rolle in den Duoübungen und die Themen Vertrauen und Anvertrauen, Verantwortung übernehmen und abgeben, wie erlebe ich mich in der aktiven, wie in der passiven Rolle, mich zeigen und mich verstecken zum Schwerpunkt. Übungen sind hier das blinde Geführtwerden durch Körperkontakt und stimmlichen Klang, und das Bewegen des Kopfes eines Partners, der (entspannt?!) am Boden liegt
„Als wichtige persönliche Erfahrung sehe ich die Einschätzung bei den Duoübungen. Dabei zeigten sich bei mir oft gegensätzliche Erfahrungen. Z.B. glaubte ich gern Führungspositionen zu übernehmen. Bei der Partnerübung stellte sich heraus, dass ich mich in der geführten Rolle wohler und sicherer fühlte.“
„Als wichtige Erfahrung nehme ich mit, dass ich mich habe führen lassen können, das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können.“
Häufig tauchen im Rahmen dieser Duoübungen lebensgeschichtlich erworbene Verletzungen wieder auf, immer wieder auch gepaart mit emotionalen Turbulenzen. Hierbei kommen der klaren und dadurch Sicherheit vermittelnden Struktur der IG, der Grundatmosphäre, der Präsenz der Gruppe und des Leiters, sowie den meditativen Übungselementen große Bedeutung zu. Ist die Gruppe gut konstituiert, und sind Leiter und Gruppe in einer guten Verfassung und präsent kann ein Raum der Klärung entstehen, in dem sich so etwas wie ein bergendes Gefäß für die eigentlich unaushaltbaren schmerzlichen Stürme des Einzelnen bildet. Diesem Einzelnen wiederum kann dieser Raum Klärung ermöglichen, indem eine Ahnung von Aufgehobensein auch mit allem Verwirrten, Verletzten, Gekränkten und Beschädigten aufscheinen kann. An dieser Stelle taucht insbesondere die klinikseelsorgerliche Dimension dieser IG auf: Wie kann etwas vom Evangelium, der guten, weil befreienden und bejahenden Botschaft erfahrbar werden und gerade im Angesicht von Leid- und Schmerzerfahrung Ausdruck finden? Wie kann es gelingen, mich mit meiner Geschichte zu versöhnen, um selbst zu einem Ja zu mir und meinem Leben zu finden?
3. Schritt: Klänge zur Entspannung und Klangmassage (15 Min.)
Die Duoübung endet häufig entweder mit einem Austausch in den Duos oder im Plenum. Bei einigen Duoübungen, insbesondere der Wohlfühlphase, schließt sich jedoch direkt die Klangphase zur Entspannung an, die im Liegen stattfindet. Für eine Person besteht jeweils Gelegenheit zur Klangmassage. Ihr werden die Klangschalen auf den Körper gestellt und angetönt, was sehr begehrt ist. In dieser Phase gilt es sich von dem oft bewegenden Erleben der Duoübungen zu distanzieren und dieses Lösen
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bewusst einzuüben. Hilfe dabei ist das Meditationsobjekt Klang, welches durch Klangschalen und Gong erzeugt wird, welche auch physiologisch durch ihre Reichhaltigkeit an Obertönen harmonisierend und entspannende Wirkung haben. Die Einladung dieser Phase besteht darin, dem Verklingen der Klänge zu folgen und sich dadurch von ihnen mitnehmen zu lassen in Richtung auf den Raum im Inneren, in dem es still ist und an den keine lebensgeschichtlich erworbene Verletzung hinreicht. In gewisser Weise ist dies ein anderer Zugang zum oben bereits beschriebenen Ort des inneren Beobachters, der inneren Zeugin oder des sicheren Ortes, wie er in der Klinik vielfältig eingeübt wird. Gelingt es mir ganz ins Lauschen zu kommen, treten die Erlebnisinhalte zurück und ich gelange zur Pforte des Bewusstseinsraumes des Zeugen, werde selbst Lauschen. Dieser Bewusstseinsraum ist in der Regel mit Erlebnisqualitäten wie Stille, Weite, Verbundenheit, Ruhe, Heiligkeit, Frieden etc. verbunden.
„Die Klangmassage ist eine wunderbare Erfahrung gewesen.“
„Für mich eine der stärksten Erfahrungen der IG war, durch die Klangschalen zu entspannen.“
„Die Klangschalen beflügelten mich sowohl im körperlichen als auch im seelischen Bereich. Ich werde versuchen sie für mich selbst und auch für andere fortzusetzen und einzusetzen. Danke!“
Diese Phase endet in Stille und mit der Einladung die gegenwärtige Qualität des Erlebens wahrzunehmen, zu erspüren und zu entscheiden, ob diese Qualität inneren Erlebens verlassen oder mitgenommen werden soll, wenn die Aufmerksamkeit nunmehr wieder stückweise im Außen verankert wird. Dieser Übergang ist von großer Bedeutung: Kann es gelingen diese Empfindungsqualitäten in die Bewegung mitzunehmen oder lösen sie sich dadurch auf? Eine Grundfrage für gelingende Alltagsgestaltung. Deshalb kommt immer wieder den achtsamen Übergänge solch fundamentale Bedeutung zu und legen alle spirituellen Traditionen so großen Wert auf die alltäglichen Übergänge (Von der Nacht in den Tag, vom Morgen in die Arbeit, die Unterbrechung auf der Höhe des Tages, das Beenden der Arbeit, vom Abend in die Nacht).
Vierter Schritt: Austausch (15-20 Min)
Dieser vierte Schritt ist dem gegenseitigen Anteil geben und nehmen gewidmet. Zwei Fragen strukturieren ihn: Nenne ein, zwei oder höchstens drei Worte für die gegenwärtige Qualität des inneren Erlebens und beschreibe mit ein, zwei, höchstens drei Sätzen dein Erleben der heutigen Übungen. Diese stark strukturierte Form entspricht einerseits dem Kommen aus der Klangmeditation und andererseits nötigt sie zur Konzentration im Verbalisieren, um die gemachten Erfahrungen nicht zu zerreden, aber ihnen doch einen Ausdruck zu geben. Im Rahmen dieser Austauschrunde ist dann auch für mich Gelegenheit, gegenwärtig Erlebtes mit Themen des therapeutischen Gesamtprozesses in Verbindung zu setzen, auf mögliche Weiterarbeit in Bezugsgruppe, Einzelarbeit oder anderen IGs (z.B. im gestalterischen Bereich) hinzuweisen oder durch das Einholen von Rückmeldungen eigenes Erleben zu überprüfen.
Fünfter Schritt: Die Gebärde der Verbundenheit –
das Abschlussritual (5 Min.)
Der Nachmittag endet im Kreis stehend mit einer Körpermeditation und einer Gebärde der Verbundenheit. Durch die Lenkung des körperlichen Spürbewusstseins auf den Stand und die Aufrichtung wird ein individuelles Deutungsfeld für zu mir Stehen, Boden unter den Füßen haben, aufrechten Gang und mich aufrichten eröffnet. Nach
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dieser Lenkung der Achtsamkeit hin zu mir selbst und meinem Dasein am Ende der IG folgt nochmals eine Öffnung hin zu den anderen Teilnehmern im Öffnen und Einlegen der Hände. Somit lädt diese Gebärde ein, die Verbundenheit mit mir selbst, die Aufgerichtetheit zwischen Himmel und Erde und die Verbundenheit in den Kreis der tragenden und sich tragen lassenden Hände zu spüren. Dem folgt das achtsame Lösen der Verbundenheit der Hände, achtsam auf das, was an Verbundenheit bleibt. Dann treten als sichtbares Zeichen des Abschieds zunächst diejenigen einen Schritt zurück, die zum letzten Mal in der IG sind. Und anschließen alle anderen in der Indikativen Gruppe Verbleibenden . Mich selbst spüren, im Kontakt mit der Gruppe sein und diesen lösen, um frei zu werden für das, was dann kommt. Damit vollzieht das Abschlussritual paradigmatisch nochmals die ganze IG.
„Der geschlossene Kreis zum Abschied der Meditationsgruppe hat mir Gelassenheit vermittelt. So stellte sich nach der Therapieeinheit ein Wohlbefinden, mehr Zuversicht und Lebensfreude ein.“
„Nach jeder IG ging ich ruhig und gelassen meinen anderen Aktivitäten nach. Ich fühlte mich „zu Hause“.“
„Der Abschlusskreis geführt durch Ihre Worte hat mich jedes Mal sehr bewegt und ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit, Verbundenheit mit der Gruppe und weit darüber hinaus erzeugt.“
Dasein – einfach da sein
„Meditation hilft mir, bei mir zu bleiben. Ich beschäftige mich mit mir selber, was ich sehr wichtig finde. So hilft mir die Meditation abstinent zu bleiben. Das will ich zu Hause fortsetzen. Nähe tut gut. Ich kann selbst bestimmen, wie nahe ich Menschen an mich heranlasse. Mich selbst zu spüren und wahrzunehmen zeigt mir, dass ich einen Platz auf dieser Welt habe!“
Einfaches, selbstverständliches Dasein ist Menschen mit Anhängigkeitserkrankungen, psychosomatischen Störungen oder lebensgeschichtlich früh erworbenen Verletzungen zumeist fremd. Im Vordergrund ihres Erlebens stehen Fragen nach dem eigenen Wert und der eigenen Würde, der Lebensberechtigung und dem Sinn. Die erlebten Kränkungen – sei es durch äußeres Erleben, sei es durch eigene Verstrickung und die Erfahrung der Selbstunwirksamkeit – führt zum Verlust inneren Kontaktes und damit zum Verlust der Kontaktfähigkeit zu anderen.
Die IG Meditation und Begegnung möchte einen Übungsweg anbieten, Kontakt zu sich selbst, zu anderen und das Erleben umfassender Verbundenheit neu zu erfahren und einzuüben, um damit den therapeutischen Prozess zu unterstützt.
Hilfen auf diesem Weg sind folgende Elemente:
Achtsamkeit als die wachsende Fähigkeit die Aufmerksamkeit zu lenken und dadurch weniger zum Spielball von Gedanken, Stimmungen und Automatismen alter Muster zu werden. Dazu gehört wesentlich die Einübung der Fähigkeit mich im gegenwärtigen Augenblick zu verankern. Es ist die Weisheit der alten mystischen Traditionen und ihrer neueren therapeutischen Adaptionen, die die Bedeutung der Präsenz lehren.
Präsenz: Auf das, was in der Vergangenheit liegt, was ich erlitten oder auch anderen angetan habe, habe ich insofern keinen Einfluss, als ich es nicht ungeschehen machen kann. Worauf ich jedoch Einfluss habe und was in meiner Verantwortung liegt ist, wie ich heute, jetzt damit umgehe. Deshalb kommt dem Verweilen in der Präsenz solch große Bedeutung zu. Sie hat heilende Kraft. In ihrem Licht können lebensgeschichtliche
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Wunden heilen, so dass ihr Schmerz und meine Abwehr dagegen ihre totalitäre Kraft allmählich verlieren.
Spürbewusstsein: In der IG kommt dies durch die Betonung des Spürbewusstseins zum Ausdruck, wobei zunächst insbesondere das körperliche Wahrnehmen eine besondere Rolle spielt. Die IG lädt ein, das Spüren zu entwickeln. Da wir nicht gleichzeitig nicht Denken und Spüren können - wir können dies nur blitzschnell in Sekundenbruchteilen nacheinander - kommt der Ausweitung des Spürbewusstseins als Gegenpol zum Kopfkino hervorragende Bedeutung zu. Das Ausweiten des Spürbewusstseins – und zwar bereits um Augenblicke oder Sekunden – ist in der Lage, totalitäres Ohnmachts- oder Katastrophenerleben langsam zu entmachten. Das Spürbewusstsein lässt einen minimalen Spalt entstehen, durch welchen eine Differenz zwischen dem Spürenden und dem Gespürten entsteht: Ich kann meine Angst, meine Panik, meine Trauer, meine Verzweiflung spüren, deshalb aber bin ich dies nicht ausschließlich.
Aufmerksamkeitslenkung: Durch die Fähigkeit meine Aufmerksamkeit bewusst zu richten und dort zu halten entsteht eine Beruhigung inneren Erlebens. Mehr und mehr gelingt es damit, aus dem Erleben Spielball zu sein, in ein Erleben von Wirkmächtigkeit und bewusster Steuerungsfähigkeit zu wechseln.
Selbsterforschung: Damit wächst die Fähigkeit zur Selbsterforschung und die Fähigkeit mich auch während der Begegnungen mit anderen mit mir selbst verbunden zu erleben und im Kontakt mit mir selbst zu bleiben. Ist dieses Tor geöffnet, beginnt das große Abenteuer der Selbstwerdung, welches mir den Zugang zu ungeahnten Kontinenten meiner selbst eröffnet. Dies markiert den Übergang vom Überleben, also dem Erleben einer ständigen Notwehrsituation, zum Leben.
Zeugenbewusstsein: Im Zuge dieser Entwicklung wird eine Verankerung im Zeugenbewusstsein möglich. Da dieses in sich selbst inhaltsleer, jedoch von transpersonalen Erlebnisqualitäten geprägt (reines Gewahrsein, Stille, Verbundenheit, Weite, Frieden…) ist, bietet es einen Schutz vor den überschwemmenden Gefühlen personaler Ambivalenzen und Konflikte.
Kontaktfähigkeit: In dieser Weise verankert, wächst die Fähigkeit zum authentischen Kontakt, in welchem ich nicht mehr abhängig bin von Erwartungen anderer, deren Erfüllung oder Nichterfüllung mein Lebensrecht verbürgt. Hieraus wächst die Fähigkeit zum bewussten Ja oder Nein, und zu Nähe und Distanz.
Verbundenheit: „Sinn ist eine Kategorie des Zusammenhang“ (Alexander Kluge). Sinn entsteht also aus dem Erleben von Verbundenheit und drückt sich im Empfinden von mir selbst nahe sein, Erleben eigener Mitte, einen Platz in der Welt haben, gewollt und berechtigt sein aus. Dieses Erleben weist aber weit über personale Begegnung hinaus und verweist auf transpersonale Sinnhorizonte. Aus dieser Dimension erwächst umfassende Heilung. Machbar ist sie nicht. Etwas Heilendes und Heiliges geschieht, wenn sie sich vollzieht: Etwas unendlich Bedrohendes findet Ausdruck; ein unaushaltbarer Schmerz wird durchlitten; etwas Unansehnliches wird gezeigt; das Gefühl nicht dazu zu gehören, wie vom anderen Stern zu sein, weicht dem Erleben der Zugehörigkeit; das Empfinden: „Wenn die anderen wüssten wie ich wirklich bin, würden sie sich alle abwenden“ weicht der Erfahrung der offenen Arme, der Berechtigung zum, Dasein. Das sind die großen Momente der IG. Dieser Prozess ist nicht auf acht Treffen begrenzt. Meditation und Begegnung sind ein lebenslänglicher Wandlungs-, Reinigungs- und Reifungsweg hin zu uns selbst, hin zu dem Bild göttlicher Würde in unserer eigenen Tiefe.
Dasein, einfach da sein.
Einfach ganz da sein.
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Einfach ganz da sein dürfen,
mit allem, was jetzt da ist, zu mir gehört.
Und etwas von dem großem Ja
zu mir und allem Lebendigen
hören, erspüren, erfahren.
Einfach da sein dürfen
und ein Ja finden
zu mir und meinem Leben
wie es geworden ist
und zu allem Lebendigen.