Monatsbrief Juni/Juli 2025
Die Weggemeinschaft ist die Gemeinschaft eines Weges,
den es nicht gibt und der auch nirgendwo hinführt
als in den gegenwärtigen Augenblick.
Er entsteht beim Gehen und ist in jedem Moment der Praxis
vollkommen ausreichend.
Es ist essenziell zu verstehen, dass es auf diesem Weg nichts zu erreichen gibt.
Das ist enttäuschend und befreiend.
- SJH
Liebe Mystik- und Kontemplation-Interessierte!
Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten!
Die Weggemeinschaft ist die Gemeinschaft eines Weges, den es nicht gibt.
Und schon sind wir mittendrin in den mystischen Paradoxien:
logisch nicht zu verstehen und doch tiefe spirituelle Weisheit.
Wozu ist es notwendig daran festzuhalten, gerade im Kontext einer formalen Weggemeinschafts-Gründung?
Da stehen für mich zwei Gründe im Vordergrund, ein individueller und ein kollektiver.
„Das ist enttäuschend und befreiend“ – endet der Impulsspruch dieses Monats.
Enttäuschen – notwendig, unvermeidlich auf dem Weg.
Wir alle kommen aus guten Gründen auf den Weg, fühlen uns von Stille und Kontemplation angezogen.
Seien es die Sehnsucht nach Entspannung, Mitte, Ruhe, Orientierung,
Vertiefung meines Glaubens oder meiner Spiritualität oder die Sehnsucht nach Lebensorientierung.
Das ist normal und unvermeidlich. Warum sollten wir uns sonst auf den Weg machen?
Und diese Sehnsucht kann uns motivieren und Kraft geben, weit zu gehen.
Und doch ist es unabänderlich verstehen zu müssen, dass sie im Laufe des Weges zum Hindernis wird.
Sie führt mich in eine um-zu-Falle. Und schon sitze ich in der Falle, denn ich muss vergleichen:
„Wird es stiller, entspannter, zuversichtlicher…?“ – „Nein, dieses Mal komme ich gar nicht zur Ruhe!“ –
„Es ist, als hätte ich noch niemals gesessen!“ – „Das war ja mal gar nichts!“ –
und ähnliche Klassiker aus den Einzelgesprächen. Und es ist schmerzlich und enttäuschend,
begreifen zu müssen, dass es diesen erwarteten und erhofften Kausalzusammenhang –
viel Üben, viel Ertrag – nicht gibt.
Und gleichzeitig ist diese Enttäuschung befreiend, denn sie gibt die Erlaubnis zu sitzen,
um zu sitzen und sonst nichts. Nur Sitzen, nur Kontemplation, kein um zu.
Und das ist eine mächtige Schwelle auf dem Weg, an der viele Menschen zurückschrecken
und die Praxis aufgeben.
Ein weiteres wird mir zunehmend wieder wichtig: Absichtslose Praxis stellt per se einen Widerstandsakt dar.
Ich entziehe mich damit einer quasi unausweichlichen toxischen Dynamik, die den Schatten
der so kostbaren Individualisierung andeutet: „Und was bringt mir das?“
Eine Perspektive der Verwertbarkeit, des Kosten-Nutzen-Rechnens.
Bedeutsam ist nur, was etwas bringt und profitabel ist. „Geist der Kaufmannschaft“ nannte dies Meister Eckart.
Wir könnten es auch den Geist des Kapitalismus nennen, eine sozioökonomische Perspektive,
die alles durchdringt und überlagert und Arme, Alte, Kranke zum Kostenfaktor degradiert.
Da führt eine gerade Linie in den Ungeist des Faschismus:
„Das Kranke und Belastende des Volkskörpers muss ausgemerzt werden, um das Gesunde zu schützen.“
Biographisch hat mich wesentlich die Einsicht geprägt,
dass die frühen Christen ihren Glauben und ihre Praxis als Widerstandsakt
gegen ungerechtfertigte Herrschaft verstanden haben.
Jedes Gebet, jede Dichtung, jeder Akt der Liebe entzieht sich diesem
vermeintlich unausweichlichen Herrschaftsanspruch der Kosten-Nutzen-Rechnung,
leistet Widerstand und hält das Unverfügbare offen.
In dieser Linie sehe ich auch unsere Praxis. Deshalb bin ich so zurückhaltend mit vermeintlichen Versprechungen wie:
Nach dieser oder jener Praxiszeit ist dies oder jenes zu erwarten.
Vorsicht, die große Herausforderung – der Weg, der unter den Füßen entsteht –
besteht gerade darin, zu sitzen, um zu sitzen und sonst nichts!
Und das ist unendlich viel, ein Quantensprung der Entwicklung und riesige Befreiung.
Wo wir ins Berechnen kommen, sind wir korrumpiert und verraten die Praxis.
Gleichwohl ist es ein wundervoller Weg, der nirgendwo hinführt und gleichzeitig
jeder Augenblick vollständig ausreicht und genügt.
So also ist die Entscheidung durch die Erwägungen des letzten Jahres gefallen,
einen „Verein Weggemeinschaft und Mystik“ zu gründen.
Seit dem ersten Abend der Stille und Kontemplation am 13. Januar 1993
habe ich ja immer vertreten: Wer da ist, ist da und gehört dazu.
Wer nicht da ist und sich zugehörig fühlt, gehört dazu.
Es gibt kein Parteibuch und keinen Mitgliedsausweis, wir sind nichts und wollen auch nichts werden.
Deshalb war ich immer gegen Gründung einer Organisation.
Nun bin ich aber vom Gegenteil überzeugt worden.
Um unabhängiger von kirchlicher Kassenführung zu werden,
Eigentumsverhältnisse zu regeln und den finanzamtlichen Ansprüchen zu genügen,
insbesondere im Blick auf eine Zeit nach mir, brauchen wir eine gesellschaftlich akzeptierte Form in Raum und Zeit.
Und das ist am ehesten für unsere Bedürfnisse ein deutscher Verein.
Dies heißt nicht, dass ich mich vom Acker machen will,
und doch habe ich die Kurstätigkeit in diesem Jahr annähernd halbiert
und das soll im nächsten Jahr noch etwas weiter runtergehen.
Und innerlich wächst ein Rückzugsplan, vorbehaltlich dass mir die gewünschte Zeit gesundheitlich stabil geschenkt ist:
Ab Ende 2027 möchte ich einige Verantwortlichkeiten
(Monatsbrief, Wochenimpuls, Jahresprogramm, etc.) nicht mehr vollständig verantworten
und mich dann in einem weiteren größeren Schritt 2031/32 stärker zurückziehen.
Dies will innerlich und äußerlich vorbereitet und eingeleitet sein.
Nun also Vereinsgründung. Zu siebt (die gesetzlich nötige Zahl) haben wir eine Satzung
und eine Geschäftsordnung entwickelt und diese beim Amtsgericht eingereicht.
Dessen Zustimmung steht zwar noch aus und kann auch noch dauern,
trotzdem wollen wir den zweiten Schritt gehen und eine Verbreiterung anstoßen.
Nach dem zuvor Gesagten bleibt mir und uns wichtig:
Die Weggemeinschaft geht nicht im Verein auf, sondern bleibt eine eigene Größe.
Es ist also nicht unabdingbar, dem Verein beizutreten.
Es bleibt: Wer da ist beim Praktizieren ist da und gehört vollwertig dazu.
Und gleichzeitig hoffen wir auf breite Unterstützung für diesen Entwicklungsschritt
unserer Weggemeinschaft durch Eintritt in den Verein.
Um die Satzung einreichen zu können, mussten wir einen vorläufigen Vorstand bestimmen,
der später von einer Mitgliederversammlung bestätigt oder neu gewählt werden muss.
Dies sind aktuell:
Erster Vorsitzender: Marc Streller,
zweite Vorsitzende: Andrea Stempel,
Kassenwart: Stefan Schuster,
Schriftführerin: Ingrid Hanika,
Beisitzer für die spirituelle Leitung: Sven–Joachim Haack,
zweite Beisitzerin: Claudia Brinkmann-Weiß.
Als siebente Person war Uwe Rau dabei.
Der Antrag auf Mitgliedschaft wird voraussichtlich Ende der Woche
auf der Website www.kontemplationundmystik.deabrufbar sein.
Herzliche Einladung zum Tag der Weggemeinschaft mit Vereinsgründung
Samstag, 14. Juni, 10.00 Uhr bis open end, Meditationszentrum Heilig-Kreuz.
Wir werden am Vormittag und am Beginn des Nachmittags wie üblich praktizieren,
vermutlich eine Feier des Lebens haben (ca. 15.30 Uhr)
17.00 Uhr Vereinsgründung (Vorstellung der Satzung und der
Organisations-Strukturen, Beschluss), anschließend Abendessen.
Wie immer bei den Tagen der Weggemeinschaft bitten wir,
etwas im Umfang des eigenen Verzehrs mitzubringen.
Für Brot und Getränke ist gesorgt. Wie immer offenes Ende.
Woche der Weggemeinschaft vom 20. bis 25. Juli, Benediktushof
Eine Woche des intensiven gemeinsamen Praktizierens und Austauschs.
Da Gastkurs, Anmeldung direkt bei mir. Aktuell gibt es noch zehn Plätze.
Da ich Stornogebühren zahlen muss, werde ich die unbesetzten Plätze am
16. Juni zurückgeben, um die Kosten zu minimieren.
So ist also Abwarten bis zum Tag vor Kursbeginn, ob ich teilnehmen will, keine zielführende Option.
Zudem bekommen wir in diesem Jahr unbesetzte Plätze im Nächsten nicht wieder. Ich würde das Format aber gerne erhalten.
Es gibt weitere gemeinsame Praxisangebote:
Donnerstags, 19.00 bis21.00 Uhr, Abend der Stille und Kontemplation mit Wochenimpuls.
Zugang über die Website rechte Spalte. Unter den aktuellen Terminen ist der Zugang abrufbar.
Wochenimpuls, donnerstags ab ca. 22.00 Uhr auf dem YouTube-Kanal der Weggemeinschaft, später auch auf der Website.
Erfreulich: Die Zahl der AbonnentInnen hat sich dieses Jahr deutlich erhöht auf gut 250. Weitere erwünscht!
08. Juni, 19.00 bis 23.00 Uhr: Nacht der offenen Kirchen in Ludwigshafen.
Ev. Kirche Ludwigshafen-Ruchheim mit Marianne Sahner-Völke und mir.
15. Juni, 10.00 Uhr: Gottesdienst, ev. Kirche Hofheim-Lorsbach mit mir.
15. Juni, 17.00 Uhr: Gottesdienst aus der Stille, Meditationszentrum Heilig-Kreuz.
12. Juli, 10.00 bis 18.00 Uhr: Kontemplationstag in Hofheim-Langenhain
mit Andrea Stempel und Stefan Schuster.
So, ein langer Monatsbrief mit vielen Infos zu den aktuellen Entwicklungen endet hier.
Herzliche Einladung mitzugehen, insbesondere auch am Tag und der Woche der Weggemeinschaft.
In Vorfreude auf Wiedersehen, gemeinsames Praktizieren
und unter den Füßen entstehenden Weg, grüße ich in kontemplativer Verbundenheit herzlich.
Sven