Monatsbrief Oktober - November 2012

|   Monatsbriefe

Friedrichsdorf, in der Woche nach Erntedank

O wie wunderbar

ist doch das Wissen im Herzen der Gottheit,

das urewig jedes Geschöpf hat erschaut!

Denn Gott,

da er blickte ins Antlitz des Menschen,

den er gebildet,

er sah all sein Werk in dieser Menschengestalt.

Wie wunderbar ist dieser Hauch,

der also den Menschen erweckte.

Hildegard von Bingen

 

 

Liebe Kontemplations- und Mystik Interessierte!
Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten !

Hildegard von Bingen, schon seit Jahrhunderten als Volksheilige verehrt, jetzt von der Römisch-katholischen Kirche zur Kirchenlehrerin erhoben, deutet in diesem kurzen Text etwas von ihrer kosmischen Weltsicht an. Zu dieser Weltsicht und diesem Weltverständnis wird es nachauf-klärerisch kein einfaches Zurück geben, gleichwohl erwartet uns hier wesentliche Inspiration.

Wir stehen in einem Abschnitt der abendländischen Geschichte, in welchem Selbstverständnis insbesondere als Differenzerfahrung begriffen wird. Individualität lebt von Unterscheidung. Diese Weltsicht hat ungeahnte persönliche Freiheitsräume eröffnet und gleichzeitig die Gefahren innerer und äußerer Aushöhlung und Zerstörung potenziert. Dies zeigt sich in einer zunehmenden Erfahrung des Fremd-seins im eigenen Leben, in innerer Leere und Beliebigkeit sowie in der Zerstörung äußerer Lebensgrundlagen.

Hildegard führt uns ein anderes Selbstverständnis vor Augen. Es bezieht sich weit stärker auf die Verbundenheit, welche über Zeit und Raum hinausgreift: „O wie wunderbar ist doch das Wissen der Gottheit das urewig jedes Geschöpf erschaut hat“. Mein Sein beginnt also nicht mit Zeugung, Empfängnis oder Geburt. Es reicht weiter und verdankt sich der Herzensweisheit der göttlichen Wirklichkeit. Aus diesem Urgrund der Wirklichkeit hervorgegangen kann Jesus sagen: „Bevor Abraham war, bin ich.“ Dies aber ist nicht sein individuelles, einzigartiges Sein. Deshalb kann Hildegard sagen: „Denn, da er blickte in das Angesicht des Menschen, den er gebildet, er sah all sein Werk in dieser Menschengestalt“. In jeder und jedem von uns ist das kosmische Ganze sichtbar.

Thich Nhat Hanh verdeutlicht dies immer am Beispiel der Mittel zu Leben. In ihnen ist der ganze Kosmos präsent: Die Erde, in der die Pflanzen wurzelten, die Luft, die sie atmeten, das Licht, das sie wärmte, das Wasser, welches sie tränkte und die Arbeit aller Beteiligten und derer, die wieder Bedingung für deren Wirken darstellen. Nicht nur in uns Menschen wird dieses Ganze des Kosmos sichtbar, sondern in allem – wenn wir nur mit den Augen des Herzens zu sehen vermögen. Dann wird sichtbar, dass die Erfahrung der Trennung und Isoliertheit nicht die Tiefe der Wirklichkeit darstellt. „Alle Dinge schmecken nach Gott“ nennt dies Meister Eckart.

Wie wunderbar ist also dieser Hauch, der den Menschen erweckte. Wiederum nicht nur ihn, sondern alles Lebendige. In der christlichen Tradition verstehen wir diesen Hauch als den ver-lebendigenden Odem Gottes, welcher allem innewohnt. Hier wird uns eine Tiefenerfahrung angeboten, welche als notwendiges Korrektiv der Individualisierung benötigt wird, wenn diese selbst nicht zerstörerisch verkommen will. So scheint es, als sei die vielerorts aufbrechende spirituelle Suche Ahnung dieser kosmischen Wirklichkeit. Wir bedürfen dieser Erfahrung dringend, um die vor uns liegenden Herausforderung zu bewältigen. Ohne sie drohen wir den individuell wie kollektiv zerstörerischen Kräften hilflos gegenüber zu stehen. So weist die kosmologische Sicht Hildegards uns auch darauf hin, dass innere Bereitung für diese Erfahrung der Einheit nicht allein individuelle Wirkung entfaltet. Das Eine als meine wahre Natur und die Natur aller Wesen zu erfahren, dient auch der kollektiven Heilung.  

Dem fühlen sich die Angebote unserer Weggemeinschaft zur gemeinsamen Übung  in diesem Herbst, zu denen ich wieder herzlich einlade, verpflichtet.

Zunächst aber eine Absage:

Das geplante Friedrichsdorfer Gespräch mit dem Jahresvortrag unserer Weggemeinschaft am 31. Oktober fällt wegen einer Behandlung meinerseits aus.

Wer den Vortrag: „Versöhnung mit mir selbst und anderen – dem Frieden eine Chance geben“ trotzdem hören möchte, ist am 20. November um 20.00 Uhr ins ev. Gemeindehaus in Wehrheim eingeladen.

3. November: Spiritualität in der Sterbebegleitung:

Aus der Quelle des Sinns trinken – mein spirituelles Lebenspanorama

Zu diesem Tag sind sowohl Mitarbeitende der Hospizdienste, an der Sterbebegleitung Interessierte, aber auch an religiös-spiritueller Biografiearbeit Interessierte eingeladen. Wir begeben uns auf Spurensuche unserer eigenen religiös-spirituellen Entwicklung. Von 10.00 bis 18.00 findet der Tag in der Oase des Vitos-Waldkrankenhauses statt.

7. November, 20.00 Uhr: Oberstedtener Turmgespräch: Umgang mit Gewalterfahrung

Gewalterfahrungen sind vielfältig. Der Vortrag wird einen Blick auf deren Wirkungen und die Frage der Begrenzung destruktiver Folgewirkungen werfen. Ort ist der Vorraum der Ev. Kirche in Oberstedten (im Ort beschildert).

11. November, 10.30 Uhr: Gottesdienst Ev. Gemeinde Oberstedten:
Versöhnung mit sich und anderen – dem Frieden eine Chance geben

Dieser Gottesdienst setzt das Turmgespräch fort und feiert die heilende Kraft der Versöhnung und Vergebung. Ort ist die ev. Kirche in Oberstedten

14. November: Usingen, Hugenottenkirche 20.00 Uhr:
Vortrag: Belastungen meines Lebens – Kann der Glaube helfen?

Ein ökumenischer Abend mit einem Vortrag und Gesprächsgruppen

15. – 18. November: Kontemplationskurs der Weggemeinschaft im Haus der Stille Waldhof Elgershausen

Nach einer Absage gibt es gegenwärtig wieder einen Platz im Doppelzimmer.

20. November, 20.00 Uhr, Ev. Gemeindehaus Wehrheim:
Versöhnung mit sich selbst und anderen – dem Frieden eine Chance geben  - im Rahmen der Abende der seelischen Gesundheit

Nachdem der Jahresvortrag der Weggemeinschaft am 31.10. leider ausfallen musste, wird er hier nachgeholt. Von der Hauptstr. in Wehrheim, von Friedrichsdorf/Bad Homburg kommend, ist das Gemeindehaus nach links abbiegend ausgeschildert.

8. Dezember: Kontemplationstag im Advent:
Achtung
: Dieser Termine wurde eine Woche nach hinten gelegt.

Kontemplationstraining 2013-15

Das Training ist mittlerweile ausgebucht und es besteht eine Warteliste. Da ich für dieses kommende Jahr keine weiteren Plätze bekommen kann, habe ich mich entschlossen im Jahr 2014 nochmals einige zusätzliche Plätze zu vergeben. Diese Menschen haben die Möglichkeit bei kurzfristigen, dringenden Absagen der Dauerteilnehmer schon jetzt an einzelnen Modulen teilzunehmen. Wer Interesse an einer Teilnahme ab 2014 hat, möge sich bitte bei mir melden.

Abend der Stille und Kontemplation

Jeden Donnerstag 19.30 – 21.30 Uhr in der salus klinik, Raum C 187

Gegenwärtig findet der Abend am Donnerstag statt. Im Zuge meiner Umstrukturierung ab 2013 läuft gerade eine Befragung, wer auch Mittwoch könnte oder wem dies sogar lieber ist. Für Hinweise bin ich dankbar.

Nun wünsche ich eine gute Herbstzeit und freue mich sehr auf weitere Weggemeinschaft und gemeinsames Praktizieren.

Sven-Joachim Haack