Monatsbrief September - Oktober 2011

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Friedrichsdorf, Anfang September

 

Ein Besucher fragte den alten Einsiedler: „Warum lebst Du in der Stille?“

Der Einsiedler führte den Gast zum Brunnen, schöpfte Wasser und fragte:

„Was siehst Du?“

„Ich sehe die gekräuselte Wasseroberfläche.“

Der Einsiedler sagte nichts mehr und schwieg.

Nach einer langen Weile fragte er erneut:

„Was siehst Du jetzt?“

Der Gast antwortete: „Jetzt kann ich auf den Grund schauen.“

Da sagte der Einsiedler: Deshalb lebe ich in der Stille –

Um auf den Grund schauen zu können.“

 

Hüte die Stille – und die Stille wird Dich alles lehren.

 

Liebe Mystik- und Kontemplations-Interessierte!

Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten auf dem inneren Weg!

 

Im Zentrum unserer Initiative steht das Bemühen um Stille. 

Das Ruhigwerden der oft wildbewegten Oberfläche unseres Tagesbewusstseins, die Zurücknahme unserer Ichaktivität ist oft alles andere als leicht. In einer Zeit der Beschleunigung und Effektivierung, die sowohl Einzelne als auch Institutionen und sogar globale Systeme durch ihre Ansprüche an die Belastungsgrenze bringt, sind das Innehalten, die Entschleunigung und die Pflege der Stille Akte der Widerständigkeit.

Demgegenüber hat Stille heilsame Qualität. Das Beruhigen der inneren Bewegung lässt tiefer blicken, schafft Durchblick. Allerdings oft nicht sofort. Zumeist ist eine frühe Erfahrung der Bemühung um Stille das Erleben der Ohnmacht. Mein Vorhaben, nichts zu denken scheitert grandios. Immer wieder entscheiden Menschen an dieser Stelle: „Das ist nichts für mich.“  Und doch: Dabei handelt es sich um eine heilsame Ent-täuschung. Denn die Stille wirkt wie ein Spiegel. Sie zeigt mir glasklar, was ist.

An dieser Stelle braucht es Handwerkszeug. So gehört zu den zentralen Anliegen unserer Initiative, die beiden Grundwege der Bewusstseinsvereinheitlichung (die Übung mit dem Atem oder dem Wort) und der Bewusstseinsentleerung (das Schauen ins nackte Sein, reine Gewahrsein, liebende Aufmerken) zu lehren und uns darin einzuüben.

Dem dient unser gemeinsames Praktizieren. Dieser Monatsbrief bietet ein besonderes Angebot. Viele Teilnehmer an den Abenden der Stille und Kontemplationstage sind bei diesen eingeführt worden. Nun biete ich erstmals auf dem Benediktushof eine reguläre  Einführung in die Kontemplation an einem Wochenende an. Dazu lade ich insbesondere ein. Dieses übliche Format der Einführung bietet im Gegensatz zu den kurzen Einführungen die Möglichkeit zu gründlicherem Aufbau der Übung und gleichzeitige Intensivierung der Übung. Wer also den Benediktushof kennenlernen und, oder mal mehr als einen Tag üben möchte, ist herzlich eingeladen.

Daneben gibt es folgende Möglichkeiten zur gemeinsamen Pflege der Stille.  In Vorfreude auf weitere Weggemeinschaft grüße ich herzlich.

Sven-Joachim Haack