Monatsbrief Februar - März 2012

|   Monatsbriefe

"Wenn am Morgen die Hähne krähen, gelobe ich mit allen Wesen: jede Stimme in dem Chor wahrzunehmen: Da bist du ja, da bist du ja, mein Freund Wenn ich nachts den Grillen lausche, gelobe ich mit allen Wesen: Meine Übung genauso einfach zu halten: Immer und immer wieder dasselbe."

Robert Aitken

Liebe Mystik- und Kontemplationsinteressierte !

Liebe Weggefährtinnen und Weggefährten !

Wenn am Morgen die Hähne krähen… Das ist einerseits ein romantisches Bild, welches an Urlaub erinnert. Vielleicht weckt es aber auch Erinnerungen an Momente der Störung. Als ich meine erste Pfarrstelle in Frankfurt begann, hatte ich von meinem Lehrpfarrer einige Hühner und auch einen Hahn mitgebracht. Diese waren noch so von dem Transport verschreckt, das sie nicht einmal Piep sagten. Aber es waren noch keine 24 Stunden vergangenen, da hatte ich erste wüste Drohbriefe im Briefkasten, die Vergiftung und Halsumdrehen ankündigten. Wenn am Morgen die Hähne krähen, gelobe ich mit allen Wesen, jede Stimme in dem Chor wahrzunehmen. Dieses Gelöbnis von Robert Aitken drückt tiefe Verbundenheit aus. Verbundenheit mit allem Lebendigen, Verbundenheit mit dem, was ist. Wahrnehmen wollen, inneren Kontakt herstellen, berührbar sein. Da bist du ja, da bist du ja, mein Freund. Hier wird etwas deutlich von der Frucht der spirituellen Praxis: Kann ich die Verbundenheit allen Seins im Alltäglichen erfahren. Und zwar in dem, was meine Seele berührt, wärmt, nährt und in dem, was mir den Schlaf raubt. Das Wunderbare ist: Gelingt es mir, in diese Perspektive zu gelangen, dann wird auch dies zunächst Störende zu etwas meine Seele nährendem.

Den Weg dorthin beschreibt der zweite Teil des Textes: Wenn ich nachts den Grillen lausche… Wieder diese Ambivalenz dieses Bildes zwischen An- und Entspannung. Und wieder wird dies Anlass zu einem Gelöbnis: Gelobe ich mit allen Wesen, meine Übung genauso einfach zu halten. Der Weg in die oben beschriebene Perspektive führt über genau diesen Weg: immer und immer wieder dasselbe. Und genau darum geht es auf dem kontemplativen Weg: Die Rückkehr zu meiner Übung, immer und immer wieder. Rückkehr zu meinem Atem, Rückkehr zu meinem Wort oder Rückkehr zum Schauen ins nackte Sein, das liebend Aufmerken, das Verweilen in der reinen Präsenz. Es ist diese Einfachheit der Übung, die verwandelt und die Raum in mir schafft für die Tiefendimension der Erfahrung der Einheit und Verbundenheit. Dann kann es gelingen, geschenkt werden, dass ich auch das scheinbar Störende als Hinweis auf die Wesensverbundenheit erlebe.

Es kann nicht ausreichend betont werden, denn es ist ja kaum zu glauben: die kontemplative Übung ist so schlicht: immer und immer wieder dasselbe. Aber genau darin liegt das Geheimnis. Und so habe ich in meinem eigenen Begleitetwerden keinen Satz häufiger gehört als: „Geh in Deine Übung“. Daraus quillt die verwandelnde, heilsame Kraft. Und dazu laden die Angebote der vor uns liegenden Zeit wieder ein.   

Nun bin ich gespannt auf die Begegnungen und freue mich auf gemeinsames Praktizieren.

 

Sven-Joachim Haack